Nachlese zur Informationsveranstaltung der SenV MVKU am 27.2.2024

Brücken – TunnelFragerunde – Fazit

Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt hatte per E-Mail und Aushang zu einer Informationsveranstaltung am 27.2.2024 von 18-20 h im Saal 1 des Kinos Titania-Palast eingeladen (hier unser Beitrag mit der Einladung). In diesem Beitrag berichten wir darüber, wie diese Veranstaltung bei uns ankam. Wir haben seit langem gegenüber Politik und Verwaltung eine direkte und ausführliche Information der Bürger gefordert und begrüßen, dass damit jetzt begonnen wurde. Nur zur Klarstellung möchten wir jedoch anmerken, dass wir an der Planung und Durchführung dieser konkreten Veranstaltung nicht beteiligt waren.

Der Informationsabend war wesentlich stärker besucht, als die Senatsverwaltung wohl vorausgesehen hatte – so sehr, dass bereits gegen 17:40 die Türen geschlossen werden mussten, weil die ca. 370 Plätze im Saal vollständig besetzt waren. Die Warteschlange der Interessenten reichte vom Foyer in der 2. Etage des Kinos bis auf die Guthsmuthsstraße; wir schätzen, dass mindestens 100 weitere Personen teilnehmen wollten, aber abgewiesen werden mussten.

Die vergessenen Anwohner

An der Schildhornstraße und ihren Seitenstraßen östlich der Buggestraße gab es allerdings keinerlei Aushänge, wie uns Anwohner berichtet haben, also ausgerechnet in dem Bereich, der mit den Folgen von Brücken- und Tunnelbau seit mehr als 40 Jahren leben muss.
War das Zufall? Wohl kaum, denn diese Anwohner, denen man jetzt weitere 40 Jahre Leben an einem Autobahnzubringer “verspricht”, wurden auf der gesamten Veranstaltung mit keinem Wort erwähnt. Mit “Ruhe für die Nachbarschaft” – das wurde explizit als Ziel der Tunnelsanierung genannt – sind offenbar nur die Wilmersdorfer Wohngebiete gemeint.

Überblick

Die Veranstaltung war gegliedert in 1 Stunde mit Vorträgen der verschiedenen Abteilungen und Teams, die mit den Projekten “Abriss der Brücken über den Breitenbachplatz” (kurz “Brücken”) und “Sanierung des Tunnels Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße” (kurz “Tunnel”) befasst sind, und 1 Stunde für Fragen und Antworten. Die Politik war vertreten durch Manja Schreiner, Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, und Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen in Charlottenburg-Wilmersdorf. Politiker aus Steglitz-Zehlendorf waren nicht oder erst in letzter Minute eingeladen worden und daher nicht anwesend. Die Veranstaltung wurde fast ausschließlich durch die Leiter und Fachleute der zuständigen Abteilungen bestritten; Fr. Schreiner sprach lediglich einige Eröffnungsworte und das Schlusswort, ansonsten gab es keinerlei Wortmeldungen von Seiten der politisch Verantwortlichen.

In der Veranstaltung wurde zuerst über die Sanierung des Tunnels unter der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße gesprochen, anschließend über den Abriss der Brücke über den Breitenbachplatz. Beide Veranstaltungsteile waren klar getrennt; gemäß unserem Hauptinteresse vertauschen wir in diesem Beitrag die Reihenfolge und berichten zuerst über den Abriss der Brücke. Über die folgende Fragerunde und Aussprache berichten wir nur kurz; sie war lebhaft, aber wenig ergiebig.

Weitere Informationen und zusätzliches Material:

Hinweis: Alle Bilder in diesem Beitrag sind Fotos aus der Veranstaltung. Die Fotos wurden perspektivisch begradigt, aber inhaltlich in keiner Weise bearbeitet.

Abriss der Brücke über den Breitenbachplatz

Vorab ein Hinweis: Die SenV spricht stets technisch korrekt von “Brücken” (Mehrzahl), weil das Bauwerk aus zwei statisch weitgehend unabhängigen Baukörpern besteht. Gemeint ist aber immer das Gesamtbauwerk für beide Fahrtrichtungen ab Tunnel bis zu den Rampen in der Schildhornstraße nahe der Paulsenstraße (ohne die Rampen in der Dillenburger Straße), das wir meistens einfach “die Brücke” (Einzahl) nennen.

Den Vortrag hielt Sophie Bahn (Abt. V), die Projektleiterin für den Rückbau. Sie begann mit einem Überblick über den Zustand der Brücken und begründete ausführlich, warum ein weiterer Betrieb oder einen Sanierung nicht möglich sei. Ursache seinen Konstruktions- und Baumängel bei der Erstellung der Brücke 1976–1980, außerdem entspräche die damals gewählte Brückenklasse 60 nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Die gar nicht so schlimm wirkenden Zustandsnoten beziehen sich lediglich auf die Sichtprüfung nach DIN 1076. Die eigentlichen Probleme liegen im Spannstahl und in den damals verwendeten Baumaterialien – mit anderen Worten: die Brücke sieht besser aus, als sie ist.

Der Zeitplan für den Rückbau sieht so aus:

  • Seit Q2 2023 laufen Planung und Vorbereitung der Ausschreibung. Die Ausschreibung des Auftrages soll im Q1 2024 erfolgen.
  • Die Vergabe des Auftrages ist für Q2 2024 geplant.
  • Der eigentliche Abriss soll von Q3 2024 bis Q3 2026 erfolgen (Bauzeit also ca. 2 Jahre).

Die Kosten für den Rückbau wurden mit etwa 10 Mio Euro angegeben. Der Rückbau der Brückenkästen soll in 17 Abschnitten erfolgen, dabei werden lärmarme Verfahren eingesetzt werden. U.a. sollen die Teile der Brückenkästen an Ort und Stelle nur zerschnitten und dann abtransportiert werden. Die Zerlegung soll in Fachbetrieben erfolgen.

Für Aufregung im Saal sorgte die Ankündigung, dass die Brückenpfeiler und die Rampen an der Paulsenstraße vorerst stehen bleiben sollen. H. Adam erklärte dies damit, dass diese Bauwerksteile nicht einsturzgefährdet seien und dass noch nicht alle verkehrsrechtlichen Voraussetzungen für ihren Abriss gegeben seien. Er sicherte zu, dass auch diese Teile abgerissen werden, sobald die Voraussetzungen erfüllt seien. (Anmerkung: Wir deuten das so, dass das durchaus noch innerhalb der geplanten Bauzeit sein kann.)

Eine erfreuliche Mitteilung war, dass inzwischen auch die SenV für Stadtplanung das Projekt als ihre Aufgabe sieht, nachdem die Neugestaltung des Platzes und seiner Umgebung dort noch 2023 als Aufgabe der Bezirke angesehen wurde.

Sanierung des Tunnels unter der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße

Vom 16.10.2023 bis 20.10.2023 (Montag bis Freitag der KW 42/2023) wurden an 5 Messpunkten das Kfz-Aufkommen gemessen (Anmerkung: Nach der Antwort auf eine Anfrage von Florian Dörstelmann (SPD) im Abgeordnetenhaus waren es 11 Messtellen, aber nur 1 Tag Messzeit). Dabei ergab sich , dass die Zahl der Fahrzeuge auf der Wiesbadener Straße zwischen Mecklenburgischer und Schlangenbader Straße Richtung Ost mehr als verdoppelt hat (+119 Prozent) und dass es auf der Mecklenburgischen Straße zwischen Wiesbadener und Friedrichshaller Straße Richtung Südwest einen Anstieg um +82 Prozent gab, hier gab es also fast eine Verdoppelung (die Vergleichswerte stammen aus den Jahren 2018/2019, wurden aber mit dem Anstieg des Gesamt-Verkehrsaufkommen verrechnet).

Aus diesen Zahlen schließt die Senatsverwaltung, dass die “Variante 3” aus der Machbarkeitsstudie der Jahre 2020/2021 verkehrstechnisch nicht machbar ist und dass eine Umsetzung der “Variante 1” – Brücke weg, Tunnel bleibt – alternativlos ist. Unsere Anmerkungen dazu finden Sie im Fazit.
Anmerkung: Weil nur noch 2 Varianten im Gespräch sind, wird die “Variante 3” der Machbarkeitsstudie – Brücke und Tunnel weg – von der SenV jetzt konsequent und durchgehend als “Variante 2” bezeichnet. Die “Variante 2” der Machbarkeitsstudie – Brücke weg, nur 1 Tunnelröhre bleibt – war nie ernsthaft für eine Umsetzung im Gespräch und darf wohl zu Recht vergessen werden.

Fr. Vietzke (Abt. V B) gab dann einen ausführlichen und anschaulichen Überblick über die technischen Probleme, die es mit dem Tunnel gibt, und über die Verwaltungsvorgänge, die zur plötzlichen Schließung des Tunnels im April 2023 geführt haben. Kurz gesagt: Die Liste der Mängel ist lang, und diese Mängel wären bei schweren Unfällen und insbesondere bei einem Brand im Tunnel unter Umständen tödlich.
Die Mängel wurden zum Teil durch mangelnde Wartung verursacht, zum größeren Teil aber durch eine wesentliche Verschärfung der technischen Richtlinien, die infolge mehrerer tödlicher Tunnelunfälle erlassen wurden und die Gesetzeskraft haben. Ein Bericht der Berliner Feuerwehr aus dem Juli 2022 schließt mit den Worten “Der Tunnelbetreiber ist gehalten, die defekten sicherheitstechnischen Einrichtungen der Tunnelanlage schnellstmöglich in Stand zu setzten. Aufgrund der besonderen Bauweise dieses Objektes mit direkt angeschlossenem Wohngebäude besteht hier ein erhöhtes Gefahrenpotenzial“. Das führte zu einem Gutachten des Tunnelsicherheitsbeauftragen, der eine sofortige Sperrung des Tunnels forderte. Diese Sperrung wurde dann von der Senatsverwaltung im April 2023 angeordnet. H. Adam (Leiter Abt. V Tiefbau) betonte noch einmal, dass die Sperrung ein verwaltungsrechtlich unumgänglicher Vorgang ohne politische Ursache war.

Der Zeitplan für die für die Sanierung des Tunnels (“Grundinstandsetzung Tunnel ÜBS”) sieht so aus:

  • Planung, Ausschreibung Q1 2024
  • Baumaßnahmen Q3 2024 bis Q1 2026, danach Installation der technischen Anlagen
  • Inbetriebnahme Q2 2028.

Die Gesamtkosten für die Sanierung des Tunnels wurden mit etwa 41,5 Mio Euro angegeben (das ist auch der jetzige Ansatz im Berliner Haushalt für die Jahre 2024 bis 2026).

Herr Haegele (Leiter Abt. VI Verkehrsmanagement) und ein weiterer Mitarbeiter der Abt. VI gaben einen Überblick über die Maßnahmen zur Verkehrslenkung, die im Zusammenhang mit der Sperrung angeordnet wurden. Sie begründeten die derzeitige Führung der Einbahnstraßen damit, dass sie eine minimale Belastung der Nebenstraße garantierten (im Saal Heiterkeit und Buh-Rufe). Gegenüber der Ersteinrichtung im April 2023 wurden weitere Maßnahmen getroffen (z.B. Einbahnstraßenregelung Zoppoter Straße). Eine neue Verkehrsführung über Schorlemerallee – Podbielskiallee – Wilder Eber – Rheinbabenallee – Hohenzollerndamm ist in Arbeit und steht unmittelbar vor der Einführung.

Aus dem Saal heraus wurde angesprochen, dass die bisherigen Regelungen von vielen Autofahrern ignoriert werden und dass vor allem dadurch viele der Belastungen entstehen (Anmerkung: das ist auch unser Eindruck – viele der Fahrzeuge könnten bei Beachtung der Verkehrsregelung eigentlich gar nicht dort sein, wo sie Schaden verursachen). Darauf wurde geantwortet, dass man auf Besserung hoffe, weil ja inzwischen viele der Regelungen auch bei Google Maps eingetragen seien.

Fragerunde und Aussprache

Die Aussprache wurde von H. Adam moderiert und fand in mehreren Frage- und Antwortblöcken statt. Hier die Punkte, die uns wesentlich erscheinen:

  • Die vorgesehene neue Verkehrsführung zur Umgehung des Tunnels wurde von einer Anwohnerin kritisiert, weil sie die Lentzeallee stärken belasten würde und insbesondere direkt vor einen Schule entlang führe. (Anmerkung: Von uns entweder falsch verstanden oder als Forderung weitgehend unverständlich, weil ja die neue Führung gerade die Lentzeallee entlasten soll.)
  • Der Vorschlag, die Nebenstraßen im “Nordseeviertel” durch Poller oder Fahrbahnschwellen vor Schnellfahrern zu schützen, wurde abgelehnt. Das sei nicht möglich, weil dadurch auch Einsatzfahrzeuge usw. behindert würden. (Anmerkung: Unser Eindruck ist, dass die Redner hier verschiedene Straßen meinten.)

Daneben wurden viele weitere Fragen gestellt, die im Großen und Ganzen oben beantwortet sind. Leider wurden auch etliche nachweislich falsche Behauptungen aufgestellt (z.B., offenbar mit dem Ziel, eine sofortige Öffnung des Tunnels zu erwirken: ein falsches Zitat aus einem Bericht der Feuerwehr, die angeblich die Schließung nicht für erforderlich hielt; Zitate von nicht genannten Architekten, die Schadstoffbelastung des Tunnels existiere nicht; die Behauptung, das Südwestkorso sei völlig überlastet – das ist nach eigener täglicher Anschauung nicht der Fall).

Die Versammlung endete gegen 20 h.

Unser Fazit

Die Informationen zum Abriss der Brücke sind für uns durchweg erfreulich. Unser Ziel, dass dieses Bauwerk bald der Vergangenheit angehören möge, scheint in Reichweite zu sein. Die Einzelheiten zum Rückbauprojekt finden wir nicht beunruhigend. Aus anderen Gesprächen wissen wir, dass die Projektleitung bereits Kontakt zu betroffenen Gewerbetreibenden aufgenommen hat und offenbar ernsthaft bemüht ist, die Auswirkungen auf diese und auf die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Der Zeitplan erscheint realistisch.

Zur Sanierung des Tunnels blieben für uns noch viele wesentliche Fragen offen. Zur Erinnerung unser Standpunkt dazu: “Wir sind wegen der zusätzlichen Möglichkeiten zur Gestaltung des Quartiers für eine endgültige Schließung des Tunnels, falls das verkehrstechnisch machbar ist“. Wir haben uns also von der Veranstaltung erhofft, Belege für die verkehrstechnischen Optionen zu erhalten.
In dieser Erwartung wurden wir enttäuscht. Die vorgelegten Zahlen und Beschreibungen ergeben für uns kein schlüssiges Bild und wir glauben nicht, dass sie eindeutig in die eine oder andere Richtung zeigen. Bei der erforderlichen Summe für die Sanierung und angesichts der Haushaltslage finden wir, dass die Politik derartige Maßnahmen sehr ausführlich und nachvollziehbar begründen muss. Hier sind die Punkte, die für uns ungeklärt sind:

  • Die präsentierten Prozentzahlen über die Zunahme des Verkehrs sagen wenig. Um zu beurteilen, müsste man die absoluten Zahlen kennen und sie in Relation zur rechnerischen Nennkapazität der Straßen setzen.
    In diesem Fall gibt es noch einen weiteren Grund, die Zahlen nicht unkommentiert zu verwenden: In der Zeit der Erhebung gab es mindestens drei Großbaustellen in der (verkehrstechnischen) Umgebung des Tunnels, die einen Einfluss auf die gewählte Fahrtstrecke haben könnten: Die Teilsperrung der Pacelliallee, die Rohrarbeiten in der Schildhornstraße und vor allem die Vollsperrung der Kreuzung Detmolder Straße/Blissestraße.
  • Für die vergleichsweise kleine Maßnahme des Brückenabrisses wurde eine Machbarkeitsstudie angefertigt, deren Ergebnisse an drei Meilensteinen öffentlich gemacht wurden und von der Bevölkerung diskutiert und kommentiert werden konnten. Über den Tunnel kann man zwar auch öffentlich diskutieren, aber die dazugehörige Studie wurde nicht veröffentlicht. Wir erinnern daran, dass ein Ergebnis der Machbarkeitsstudie zur Brücke sinngemäß lautete, dass man zur Verkehrslage um den Tunnel herum eine Studie anfertigen müsse, sonst wäre keine sachgerechte Entscheidung möglich. Da sich die SenV auch auf die Machbarkeitsstudie beruft, wünschen wir uns, dass dieses Ergebnis nicht unter den Tisch fällt.
  • Die Mitteilung der Senatsverwaltung vom 13.12.2023 sagt “Auf der Wiesbadener Straße zwischen Mecklenburgischer und Schlangenbader Straße Richtung Ost hat sich der Kfz-Verkehr mehr als verdoppelt […] Ähnlich ist es auf der Mecklenburgischen Straße […]. Dies hat eine erhebliche Verlagerung der Verkehre in die Nebenstraßen zur Folge”.
    Warum soll aus der verstärkten Nutzung der Hauptstraßen eine Belastung der Nebenstraßen folgen? Wer in einer Hauptstraße fährt, entlastet doch gerade die Nebenstraßen! Für uns zeigen die Zahlen eher, dass die Umleitung über Haupt- statt Nebenstraßen im Großen und Ganzen funktioniert.

– Ende des Beitrags –