In einer Pressemitteilung vom 13.12.2023 teilt der Senat mit:
Nach Monaten starker Belastungen durch Umleitungsverkehre bekommen die Anwohner des Schlangenbader Tunnels Gewissheit. Die wichtige Verkehrsverbindung zwischen Wilmersdorf und Steglitz wird in den kommenden vier Jahren saniert und dann wiedereröffnet.
Senatorin Manja Schreiner: „Nach intensiver Prüfung haben wir entschieden, den Tunnel wieder zu öffnen. Die Belastung der Anlieger durch zu viel Such- und Umleitungsverkehre macht dies notwendig. Im Haushalt stehen die Mittel für die Ertüchtigung dieses Tunnels bereit. Eine schnelle Öffnung kann es allerdings nicht geben, zunächst steht eine zweijährige Asbestentsorgung an.“
[…]
Sämtliche Maßnahmen zur Minimierung der negativen Auswirkungen der Tunnelsperrung, wie die Anpassungen von Ampelsteuerungen oder die Einrichtung von Einbahnstraßen, haben nicht zu den erhofften Verbesserungen beigetragen. Die Mehrbelastung des Hauptstraßennetzes in der Umgebung des Tunnels ist weiterhin eklatant.
[…]Um einen fließenden Verkehr zu gewährleisten und die Wohngebiete zu entlasten, werden wir den Tunnel sanieren. Unsere Experten setzen nun alles daran, eine möglichst schnelle Wiedereröffnung zu ermöglichen.
Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (vollständiger Text hier)
Die nötigen Haushaltsmittel (32,5 Mio) sind am 14.12.2023 mit dem Rest des Haushaltes beschlossen worden. Die Mittel für den Tunnel sind dabei über ein sogenanntes “Fraktionsticket” der CDU eingeplant wurden.
Erläuterung: In Koalitionen ist man sich selten zu 100% über die Projekte einig, die man verwirklichen will. Daher wird oft vereinbart, dass jede Koalitionsfraktion eine gewisse Summe zur Verfügung erhält, aus denen sie ihre “Lieblingsprojekte” bezahlen kann, eben das sogenannte “Fraktionsticket”. In unserem Fall hat die CDU-Fraktion des AGH beschlossen, Teile dieser “Haushaltsmittel zur Verfügung ihrer Fraktion” für die Sanierung des Tunnels zu verwenden.
Unsere generelle Haltung zum Tunnel können Sie in unserem Rundbrief vom 13.12.2023 nachlesen. Zu der o.a. Pressemitteilung möchten wir ergänzen:
- “Die Belastung der Anlieger durch zu viel Such- und Umleitungsverkehre macht dies notwendig.“
Anmerkung: Suchverkehr ist als Argument schwer nachzuvollziehen – das bedeutet doch einfach nur, dass die bisherigen Maßnahmen unzureichend sind! Wir kennen keinen Versuch, die Umleitungen klarer zu machen oder die Beachtung der Verkehrsreglungen zu erzwingen. Das Problem sind unserer Beobachtung nach nicht so sehr die Autofahrer, die der Beschilderung folgen, sondern vor allem die, die das nicht tun. - “Sämtliche Maßnahmen zur Minimierung der negativen Auswirkungen der Tunnelsperrung […] haben nicht zu den erhofften Verbesserungen beigetragen.“
Anmerkung: Diese Anstrengungen haben sich in sehr engen Grenzen gehalten, zahlreiche Verbesserungsvorschläge wurden gemacht, aber nicht berücksichtigt. Vor allem fehlt aber muss man festhalten, dass der Verkehr im weiten Umfeld des Tunnels ohnehin nicht normal fließt. Durch die Bauarbeiten in der Pacelliallee und in der Detmolder Straße sind einige empfohlene Umleitungen gar nicht befahrbar; daher kann man momentan noch gar nicht genau sagen, wie sich die Umleitungen aufgrund der Tunnelschließung auswirken. - “Auf der Wiesbadener Straße zwischen Mecklenburgischer und Schlangenbader Straße Richtung Ost hat sich der Kfz-Verkehr mehr als verdoppelt (+ 119 Prozent). Ähnlich ist es auf der Mecklenburgischen Straße zwischen Wiesbadener und Friedrichshaller Straße Richtung Südwest, hier gibt es ein Plus von 82 Prozent.“
Anmerkung: Zunächst sagt eine Steigerung gar nichts aus, solange man nicht den Ausgangszustand kennt; außerdem gehört dazu natürlich eine Prüfung, wie weit der gesteigerte Verkehr für die jeweilige Straße verträglich ist – eine Steigerung ist nicht automatisch eine Überlastung. Warum nennt die Senatsverwaltung nicht die absoluten Verkehrszahlen, d.h. die Ergebnisse der Zählung?
Aber die Beschwerden, die uns erreichen, kommen gar nicht in erster Linie aus den genannten Straßen, sondern aus den Wohngebieten im “Nordseeviertel” und aus der Schlangenbader Straße. Ersteres ist ausschließlich auf Missachtung der ausgeschilderten Umleitung zurückzuführen (also darauf, dass “die geänderten Verkehrsführungen nicht vollständig von den Verkehrsteilnehmenden akzeptiert werden“, wie es sie SenV in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/16897 ausgedrückt hat). - Generell glauben wir nicht, dass eine Verkehrszählung genügt, um die Notwendigkeit de Tunnels zu begründen. Die Verkehrszählung ist eine Faktenaufnahme; sie erklärt weder die Gründe noch erspart sie den Handelnden die Planung und Konzeptfindung. Den alten Zustand für alternativlos zu erklären, ist uns zu wenig. Dieser Meinung sind übrigens auch die Bezirksämter Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf; sie “verweisen im Übrigen auf das Erfordernis weitergehender Untersuchungen” (Zitat aus o.a. Anfrage).
- Ein letzter, aber wichtiger Punkt: Die Sanierung wird nach Angaben der Senatsverwaltung mindestens 2 Jahre in Anspruch nehmen, ältere Schätzungen sprachen auch schon von 3 Jahren. Was ist das Konzept für die Planungs- und Bauzeit? Will man den derzeitigen Zustand über diese ganze Zeit beibehalten? Leider schweigt man sich zu diesem Thema aus.
Das Thema fehlender Studien greift die SPD Charlottenburg-Wilmersdorf auch in einer detaillierten Stellungnahme auf:
SPD Ch-Wi spricht sich gegen Sanierung aus
Am 13.12.2023 erreichte uns eine Stellungnahme der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf und der SPD-Fraktion in der BVV:
Schließung des Schlangenbader Straße-Tunnels sinnvoll nutzen, anstatt Dauerbaustelle und Millionengrab zu schaffen
Gemeinsame Stellungnahme der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf und der SPD-Fraktion Charlottenburg-WilmersdorfIm Haushaltsentwurf für 2024/2025 ist geplant, satte 32,5 Millionen Euro für die Renovierung des Autobahntunnels in der Schlangenbader Straße zu investieren. Doch als SPD Charlottenburg-Wilmersdorf und SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf, sind wir entschieden anderer Meinung – wir sehen darin einen eklatanten Irrweg.
Berlins nächste Dauerbaustelle – Ungewisse Kosten und Dauer der Sanierungsmaßnahme
Wir alle wissen, dass die Kosten für die Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen des Tunnels am Ende weit über der eingeplanten Summe von 32,5 Mio. Euro liegen werden. Bei diesen Mitteln kann es sich deshalb nur um eine Anschubfinanzierung handeln, die in zukünftigen Haushalten mit weiteren Geldern untermauert werden muss. Hinzu kommt, dass derzeit noch völlig unklar ist, wie umfangreich der Tunnel saniert werden muss. Es besteht völlige Ungewissheit über das tatsächliche Ausmaß der Kosten und die Dauer der Sanierungsmaßnahme. Am Ende droht hier das nächste Millionengrab für die Stadt Berlin mit einer jahrelang andauernden Sanierungsmaßnahme – sprich Dauerbaustelle.Chaos war vorprogrammiert – Mangel an Verkehrsstudien und fehlendes Umleitungskonzept
Es gibt bisher keinerlei langfristige verkehrswissenschaftliche Untersuchungen, die aufzeigen, dass die aktuelle Schließung des Tunnels, wie von der CDU behauptet, zwangsläufig ein Verkehrschaos in den umliegenden Straßen verursacht. Die Szenen, die sich in den Wochen unmittelbar nach der Schließung des Tunnels abgespielt hatten, waren vor allem das Ergebnis eines fehlenden Umleitungskonzepts. Die damalige grüne Verkehrssenatorin hatte die Schließung veranlasst, ohne vorher ein solches zu erarbeiten. Der Bezirk wurde mit dieser Herausforderung weitgehend allein gelassen. Für ein tatsächlich funktionierendes Umleitungskonzept braucht es aber zwangsläufig die Hauptstraßen, die in der Zuständigkeit des Senats liegen.Zukunftsfähiges Konzept: Nutzung der Tunnelschließung für städtische Entwicklung und Klimaschutz
Es ist wichtig, eine klare Vorstellung davon zu haben, wie man die Schließung des Tunnels und den Abriss des Autobahnzubringers am Breitenbachplatz nutzen kann, um die Herausforderungen einer wachsenden Stadt und des Klimawandels anzugehen. Wir setzen uns entschieden dafür ein, die Schließung als Ausgangspunkt für den Rückbau der A 104 bis zur Konstanzer Straße zu nutzen. Die freigewordenen Flächen könnten dann für bezahlbaren Wohnraum und soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Sportplätze und öffentliche Grünflächen genutzt werden.Selbstverständlich sollte dort, wo die A 104 endet, eine herkömmliche Hauptstraße entstehen. Diese Straße soll weiterhin Pendler- und Lieferverkehr in die Innenstadt ermöglichen. Um die lokale Bevölkerung aktiv in die Planung des Geländes einzubeziehen, wäre es sinnvoll, eine umfassende Bürgerbeteiligung zu initiieren. Gleichzeitig ist der Senat gefordert, eine Verkehrsregelung zu entwerfen, die sozial und umweltfreundlich ist. Bedauerlicherweise wurde weder von der aktuellen Verkehrssenatorin noch von ihren beiden Vorgängerinnen ein Gesamtkonzept vorgelegt, das all diese Aspekte berücksichtigt.
SPD Charlottenburg-Wilmersdorf und SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf fordern Überarbeitung des Haushaltsplans
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Koalition wird Projekte des sozialen und ökologischen Stadtumbaus wie den schrittweisen Rückbau der A 104 umsetzen.“ Dies steht unserer Ansicht nach im krassen Widerspruch zu den geplanten Baumaßnahmen.Wir sind davon überzeugt, dass die Schließung des Tunnels eine Chance darstellt. Es ist die Gelegenheit, eine visionäre Perspektive zu entwickeln, in der die Ziele für Klimaschutz, bezahlbaren Wohnraum, den Ausbau sozialer Infrastruktur und einen effizienten Verkehr vor Ort gemeinsam realisiert werden können. Anstatt Millionen an Steuergeldern in eine wirtschaftlich und stadtpolitisch unsinnige Sanierung zu investieren, sollten sämtliche finanziellen und organisatorischen Ressourcen darauf fokussiert werden.
Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass das Abgeordnetenhaus vor der Verabschiedung des Haushalts am 14. Dezember seine bisherige Planung entsprechend überarbeitet.
SPD Charlottenburg-Wilmersdorf / BVV-Fraktion der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf (PDF hier)
Die geforderte Überarbeitung hat erwartungsgemäß nicht stattgefunden.
Wir werden das Thema weiterhin interessiert verfolgen. Falls Sie uns Ihre Meinung dazu mitteilen wollen, schreiben Sie uns doch einfach!