Am 9.9.2021 veranstaltete Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit dem Architekten- und Ingenieurverein Berlin-Brandenburg (AIV) eine Informations-Radtour zum AIV-Projekt “Stadt statt A104”. Anwesend waren Vertreter der Grünen aus Charlottenburg/Wilmersdorf, Steglitz/Zehlendorf und dem Abgeordnetenhaus, u. a. die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek. Die Führung der Tour übernahmen Dr. Hans Stimman, ehemaliger Senatsbaudirektor und Mitinitiator des Projekts, und Tobias Nöfer, AIV-Mitglied und Architekt mit einem Büro in der Binger Straße.
Treffpunkt war der Breitenbachplatz. Im Laufe von 2 Stunden bewegte sich der Zug von ca. 20 Radfahrern über eine Strecke von knapp 8 km mit den folgenden Stationen:
- Breitenbachplatz: Hans Stimman erläuterte die Verkehrs- und Stadtplanung der 1950er bis 70er Jahre (Schnellstraßennetz mit Ring und Tangenten) und den Grund, warum der Abzweig A104 entstand (schnelle Fahrt von den südwestlichen Wohngebieten zum Verwaltungszentrum Fehrbelliner Platz).
- Parkplatz Schildhornstraße/Rampe Paulsenstraße: H. Stimman weist auf die Pfeiler hin, die heute noch einen Hinweis auf die geplante Hochstraße geben. H. Nöfer erläutert den Platzgewinn und die mögliche neue Nutzung entlang der Schildhornstraße durch Wegfall der Brücke und der Rampen.
- Unterhalb des Bierpinsels: H. Nöfer zeigt seine Pläne, die Rampen an der Schildhornstraße zu verkürzen und so Platz für eine Grünanlage entlang der Nordseite des ehemaligen Schildhornplatzes zu schaffen.
- Südwestkorso/Lateinamerika-Institut (ehem. Reichsknappschaftsgebäude): Hinweis auf das Gebäude von Max Taut und die ebenfalls denkmalgeschützten Häuser in der Binger Straße.
- Wiesbadener Str./Schlangenbader Str.: Unterhalb des sichtbaren Teils des Tunnels (Tunnelbrücke über die Wiesbadener Straße) Diskussion der möglichen Nachnutzung des Tunnels und Bedeutung der Wiesbadener Straße als Verbindung zwischen Südwestkorso und Schmargendorf.
- Mecklenburgische Str. 57: Vor der Zentrale der Deutsche Wohnen AG: Diskussion um die Wohnsituation und um den Gewinn an Wohnrum durch den Plan des AIV. Erläuterung der Planungsprobleme, die dazu geführt haben, dass auf dem ehem. Reemtsma-Gelände ausschließlich Gewerbenutzung herrschen wird (obwohl der Investor sich “Die Wohnkompanie” nennt).
- Fahrt entlang der Mecklenburgischen Str. bis Blissestr. und zurück bis Rudolstädter Str.
- Rudolstädter Str./AB-Brücken: H. Nöfer erläutert, wieviel Platz durch den Wegfall der Autobahnanschlüsse frei werden würde. H. Stimman erklärt, welche Bauverfahren die geschwungene und relativ grazile Bauweise der Brücken erlaubt haben.
- Hoffmann-von-Fallersleben-Platz/Auferstehungs-Kathedrale: H. Nöfer stellt die Pläne zur Umgestaltung dieses “Platzes” vor. Durch den Wegfall der Autobahnanbindung in Verlängerung der Konstanzer Straße könnte weiterer Platz für Wohngebiete geschaffen werden und die Kathedrale wieder in das Stadtbild aufgenommen werden.
Eine sehr informative Fahrt! Beide Referenten haben es geschafft, auf fundierte, aber durchaus unterhaltsame Weise sowohl die Geschichte als auch Denkansätze für die Zukunft darzustellen. Beide haben dabei ihr Bekenntnis zur Neugestaltung der Stadt mit deutlich erkennbarer eigener Meinung, aber ohne ideologische Überhöhung dargestellt.
Der Breitenbachplatz steht also, gerade auch nach dem Abschluss der Machbarkeitsstudie, tatsächlich im Mittelpunkt der Fragen, die für die Umgestaltung von der auto- zur menschengerechten Stadt beantwortet werden müssen: Wieviel “Verkehrswende” ist machbar? Wie radikal darf man die Fehler und Zerstörungen der Vergangenheit korrigieren, ohne zusätzlichen Schaden zu verursachen? Wie kann man eine Stadt (oder wenigstens ein Stadtquartier) für die Zukunft umgestalten, ohne dabei in neue Dogmen zu verfallen? Die nächsten 10 Jahre dürften spannend werden – und wir werden sofort nach der Wahl beginnen müssen, den Verantwortlichen unsere Sicht der Dinge nahezubringen.