Die Visionen der 1950er Jahre

Auf YouTube gibt es das Video “Would you fall for it?” (etwa: “Würden Sie darauf hereinfallen?”), das ein Licht darauf wirft, woher die Forderungen nach autogerechten Städten stammen. Das Video ist auf Englisch, aber wenn man die Untertitel einschaltet und in in den Einstellungen (Zahnrad) “Automatische Übersetzung: Deutsch” wählt, bekommt man ganz ordentliche deutsche Untertitel.

Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=n94-_yE4IeU (ab ca. 25:30 nur noch Danksagungen und Werbung)
Alternativ kann man das Video auch (kostenpflichtig) auf der Plattform Nebula ansehen.

Der Kanal “Not Just Bikes” (Wikipedia, englisch) wird von dem niederländisch-kanadischen Stadtplaner Jason Slaughter betrieben, der zurzeit in den Niederlanden lebt und arbeitet und aus dieser Erfahrung berichtet: “Geschichten über großartige Stadtplanung in den Niederlanden und anderswo. Es gibt viele Gründe, warum die Städte in den Niederlanden toll sind; es liegt nicht nur an den Fahrrädern.” Wie auch in diesem Video berichtet er auch häufig über die Fehlentwicklungen, die – oft von den USA ausgehend – unsere Städte zu dem gemacht haben, was sie heute sind, im Guten wie im Schlechten.

(Quelle: YouTube)

Basis des Videos ist der Werbefilm “Give yourself the green light” (“Schalten Sie ihre Ampel auf grün”) der Firma General Motors aus dem Jahre 1954 (der Originalfilm ist ebenfalls auf YouTube zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=eXQayNKrj_Y). In diesem Film wird der Zuschauer dazu aufgefordert, sich bei seinen Abgeordneten und seiner Stadtverwaltung für den verstärkten und umfassenden Ausbau von Straßen einzusetzen, insbesondere für Autobahnen und Stadtautobahnen (im Englischen heute manchmal “stroads” genannt, ein Kofferwort aus street = Stadtstraße und road = autobahnähnliche Fernverkehrsstraße, siehe auch Wikipedia). Jason Slaughter kommentiert diesen Propagandafilm aus heutiger Sicht.

Warum finden wir das interessant? Weil es zeigt, wie alt viele der Begründungen für den autogerechten Ausbau von Städten sind, wer diese Forderungen ursprünglich aufgestellt hat und warum die versprochenen Verbesserungen nur selten eingetreten sind, aber dafür unvorhergesehene Probleme entstanden. Und abgesehen davon ist der alte GM-Film aus heutiger Sicht manchmal einfach urkomisch.

Und was hat das mit dem Breitenbachplatz zu tun? Ganz einfach: Es gibt auch heute noch Menschen (leider auch Politiker), die uns mit den gleichen alten Argumenten überzeugen wollen:

  • Breitere Straßen sorgen für besser fließenden Verkehr …
  • Die Straßen werden zu eng … weil “unsere Pläne nicht groß genug waren” …
  • Die Behauptung, autogerechte Zufahrten und Parkplätze seien für den Einzelhandel notwendig …
  • Das Versprechen von der “Freiheit auf Rädern” (“freedom on wheels”) …

Aber sehen Sie selbst … vielleicht erkennen Sie die eine oder andere Situation oder Behauptung wieder.

Interessant ist auch, wie das Thema Wartung angesprochen wird: Dass nicht der Bau der Straßen die meisten Kosten verursacht, sondern ihre Wartung über die Jahrzehnte, und dadurch die Kommunen in den Bankrott treibt. Und auch das kennen wir ja aus eigener Erfahrung: Demnächst werden am Breitenbachplatz mindestens 10 Mio Euro ausgegeben, um eine einsturzgefährdete Brücke abzureißen, und mindestens 41 Mio Euro, um einen maroden Tunnel zu sanieren … wie lange wird er dieses Mal halten?