Eine erfolgreiche Bilanz 2019

Ein für unsere Bürgerinitiative erfolgreiches Jahr geht zu Ende. In seltener Einmütigkeit haben die Parteien der Senatskoalition und die CDU beschlossen, von der Verkehrssenatorin eine Machbarkeitsstudie zu verlangen, bei der es um den Abriss der Breitenbachplatzbrücke, die Entschleunigung des Verkehrs um den Platz herum und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität geht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die FDP Steglitz-Zehlendorf auf unserer Seite ist.

Auf Veranstaltungen von Grünen, SPD und CDU, auf denen wir unsere Positionen erläutern konnten, wurde die politische Unterstützung bekräftigt. Und dennoch werden wir unsere Hände nicht in den Schoss legen, denn es gibt nicht nur die Politik, sondern auch eine Verwaltung. Wir werden daran erinnern müssen, dass die Machbarkeitsstudie und ihre Schlussfolgerungen nicht auf die lange Bank geschoben oder Hintertürchen gesucht werden, um aus dem Projekt auszusteigen. 2021 wird in Berlin neu gewählt, Gelegenheit darauf zu drängen, dass unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden. Da der zuständige Beamte im Verkehrsausschuss berichtete, dass die Brücke sowieso in fünf Jahren „fällig“ sei, also entweder teuer saniert, neu errichtet oder gleich abgerissen werden müsse, zieht das Argument, es gehe um einen intakten Verkehrsbau, nicht mehr.

Wir lassen uns nicht von der Frage irritieren, wohin der Verkehr ohne Brücke soll. Niemand würde heute mehr solch ein Bauwerk errichten. Ein großer Teil des Verkehrs könnte andere Wege nehmen, um in den Süden Berlins zu kommen. Neue Verkehrsbauten ziehen Verkehre erst an, im Gegensatz dazu, ziehen attraktive Plätz Menschen an. Über die Autobahnüberbauung samt der Brücke schrieb seinerzeit der Verleger und konservative Intellektuelle Wolf Jobst Siedler in seinem legendären Werk „Die gemordete Stadt“: „Schaut man näher zu, wird nur zu bald deutlich, dass hinter der krassen Fehlentscheidung auch kein Planungsfehler steht, sondern die Abwesenheit von Planung. Ein privater Bauunternehmer, inzwischen in eine Krise geraten, hatte das Gelände zusammengekauft und seine eigene Stadtplanung gemacht. Die Stadt kam erst zum Zuge, als die Rezession das Renditedenken des Unternehmers desavouierte und die öffentliche Hand das Unternehmen, für das schon als Zuführung des nicht vorhandenen Verkehrs die Breitenbachplatz-Überbauung errichtet worden war, rettend übernehmen musste.“  

Neuerdings haben unsere paar Kritiker ein neues Argument: Der Abriss der Brücke würde zur monatelangen Belastung der Anwohner. Was für ein Unsinn! Mit modernen Baumaschinen sind die Betonmassen in wenigen Tagen verschwunden.

Wir sind auch nicht allein. Seit gut einem Jahr gibt es das Netzwerk „Menschengerechte Stadt“ (menschengerechte-stadt.de) von sechs Initiativen, das für die Umkehrung einer Politik eintritt, bei der zuerst das Auto und dann irgendwann der Radfahrer und Fußgänger kam. Wir sind nicht gegen das Auto, aber für ein sinnvolles Miteinander, und wir erinnern auch daran, dass das Hauptproblem der fehlende Raum für den „ruhenden Verkehr“ ist. Wo bleibt das Freiheitsversprechen des Individualverkehrs, wenn sich in manchen Gebieten niemand mehr traut, den hart erkämpften Parkplatz zu verlassen? 

Wir hatten mancherlei Besuch, darunter eine Gruppe von 60 Studierenden der Architektur und Stadtplanung aus Bremen und Bordeaux. Sie haben Zukunftspläne für unser Gebiet entwickelt, die ihrerseits zeigen, dass für die junge Generation das Auto kaum eine Rolle spielt. In Bremen arbeitet man weiter am Thema, und so war ich am 17. Dezember zu Gast an der dortigen Hochschule, wo die Studierenden ihre fast fertigen Bachelor-Arbeiten vorstellten. Die interessantesten Ideen werden wir dokumentieren, möglichst auch eine Ausstellung organisieren.

Am 11. Juni 2020 jährt sich die Eröffnung der Brücke zum 40. Male. Aus diesem Anlass haben wir einen Aufruf gestaltet, dass alle, die damals die Bauphase und die Situation vor und nach der Brücke erlebt haben, ihre Erinnerungen aufschreiben oder uns erzählen. Und bitte auch mal in ihren Fotosammlungen nachschauen.

Ulrich Rosenbaum